Die Berichtschreiberin steigt in Lenzburg in den Zug und trifft das handverlesene Wandergrüppchen, den harten Kern, unter der neuen Riesenuhr beim Wolkendachbusbahnhof – mit den roten Tulpenklappstühlen — in Aarau: Sonja und Fridolin, Karin, unsere Wanderleiterin, Ute, Margrit. Karin führt uns durch die Bahnhofstrasse (schon in der Römerzeit als „Hochgesträss“ bekannt) mit der grossstädtischen Fassade einiger Gebäude, – Aarau war 1798 immerhin einmal sechs Monate kurz erste Hauptstadt der neu gegründeten Schweiz! seither Kantonshauptstadt. Wir schwenken durch die vordere
Vorstadt zur Altstadt zuerst zum Oberturm, mit 62 m Höhe ein Wahrzeichen der Stadt, dessen Entstehung mit der Stadtgründung, die kurz vor Mitte des 13. Jh. erfolgte, zusammenhängt. Im 15. und 16. Jh. wurde der Turm aufgestockt, im 16. Jh. wurde die Räder Uhr, die bis jetzt erhalten geblieben ist, angefertigt. Das Obertor, das sich unmittelbar neben dem Turm befindet, wurde 1359 erstmals urkundlich erwähnt. Da hindurch schreiten wir und befinden und in der Rathausgasse mit den beidseitigen Häuserzeilen aus der Spätgotik und dem Barock und den bestechlich schön gemalten tiefen Dachvorsprüngen, die durch das schlossartige städtische Rathaus mit dem Turm Rore – heute noch Sitz der Stadtverwaltung – abgeschlossen wird. Eine der mehr als 70 bemalten Dachuntersichten Aarau „Stadt der schönen Giebel“ Speziell: Barock und Gotik vereint Hier wird mir bewusst, dass die Stadt Aarau mehr Aufmerksamkeit verdiente, als sie allgemein (als „Provinznest“)
hat.
Weiter sehen wir die Stadtkirche, den Gerechtigkeitsbrunnen, lassen uns mit dem lädierten Osterhasen „Theodor“ ablichten. Gerechtigkeitsbrunnen Stadtkirche und Haldengasse. Hinunter geht es zur „Halde“, eine Gasse mit spätgotischen Häusern, durch ein Tor, das den Blick zur neuen Kettenbrücke frei gibt kommen wir ins Theatercafé „Tuechlauben“, wo wir professionelle Barista Capuccini mit Schaumherzen und heisse Schokoladen genehmigen. Hier erzählt uns Karin weitere Aarauer Geschichten, vom Räuber Matter (*1821 in Muhen), dem schweizerischen Robin Hood, der aus jedem Gefängnis ausbrechen konnte, auch im Oberturm Verlies eingeschlossen war, bis er 1854 in Lenzburg vor über 2000 Zuschauern auf dem Schafott geköpft wurde, und das, obwohl er nie jemanden verletzt oder getötet hatte.
Oder vom Zugang zu den geheimnisvollen „Meyerschen Stollen“, die unter dem neuen Bahnhof beginnen, die auch vom Stadtmuseum gewartet werden. Der späte Morgen ist noch immer kühl und vom Hochnebel grau verhangen, als wir der Aare flussabwärts
dem Philosophenweg entlang den zweiten Teil der Wanderung beginnen. Bald kommen wir zur Suhrenmündung, deren Delta als Picknickplatz gestaltet wurde und über die ein Brücklein führt bei dem der Auenschutzpark beginnt.
Zwischen Aarau und Wildegg erstreckt sich mit 317 ha das grösste Auengebiet im Schutzpark Aargau. Einmalig für das Aaretal ist das ausgeprägte System grundwassergespeister Bäche – Giessen genannt. In diesem Auengebiet wurden zwischen 2003 und 2012 die umfassendsten Renaturierungen durchgeführt. Unterhalb des Kraftwerks Rupperswil – Auenstein wurde der Blocksteinsatz am alten Aareufer entfernt, sodass sich wieder ein naturnahes Ufer entwickeln konnte. Das Flussbett der alten Aare wurde mit Kiesschüttungen in einen strukturreichen und attraktiven Gewässerabschnitt umgestaltet. Als wir dort vorbei wandern, strudelt das Frühlingswasser lebhaft durch die Kiesschüttungen. Neu sind die sog. Spannbrücken für die Fussgänger, welche die Auensteinerinsel mit Auenstein und dem gegenüberliegenden Weg nach Wildegg verbinden. Auf dem leicht federnden Metallsteg stellt sich ein physisches Gefühl von abgehoben sein ein. Interessant ist auch der neue Fischpass, welcher zur Umwanderung des Turbinenauslasses des Kraftwerks für die Fische erstellt wurde. Durch Beobachtungsfenster können dort die Fische unter Wasser beobachtet werden – ausserhalb der Zeit, in welcher Fische gezählt Beobachtungskammer mit Fenstern des
Fischpasses werden, was jetzt der Fall ist. Wir entdecken jedoch keinen einzigen der artenreichen Fische, wie sie auf der Tafel beim Vereinshäuschen des Anglervereins zu sehen sind. Dort, unter dessen Vordach gibt es einen Holztisch und –Bänke, wo wir uns für das Mittagspicknick niederlassen. Es hat schon länger genieselt und wir sind wieder einmal froh um ein Schutzdach. Karin hat für jede/n ein buntes Osterei, deren Schalenstärken natürlich mit Tütschen getestet wird.
Frühlingsboten grüssen am Wegrand, zartes Buschgrün, das bekannte Buschwindröschen und im Verein seine Verwandte, das gelbe Windröschen, (giftig) das nur auf basischem, kalkigem Boden, eben wie hier wächst, und hie und da ein Kissen leuchtend violetter Veilchen.
Nach der Überquerung der Spannbrücke, ist endlich die graue Wolkendecke vertrieben und es ist es nicht mehr weit nach Wildegg. Wir wärmen in der Pizzeria vollends auf und löschen den Durst. Alle nehmen ein interessantes und gemütliches Ostermontag-Erlebnis der 10 km langen Wanderung mit nach Hause.
Ruth Doris Schmid